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Serie Starting Colts (8)
Umstellung auf das Snaffle Bit und Kontrolle der Schulter
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„Colt Starter“, so nannte man in den USA die Personen, die fast ausschließlich für das Einreiten von Jungpferden zuständig waren. Oft verstand man unter „Colt Starting“ das schnelle Einreiten von Pferden, bis es aufgibt und nicht mehr buckelt. Die Methoden dabei waren oftmals alles andere als pferdeschonend, und der Job wurde nicht selten von ehemaligen Rodeoreitern übernommen – ein Vorgehen mit Konzept und Rücksichtnahme auf die Psyche des jungen Pferdes war dabei sehr selten. Damals war das Einreiten etwas für mutige Mannsbilder, und die Arbeit sollte meist in wenigen Tagen erledigt sein. Bodenarbeit war ein Fremdwort und nichts für „harte Männer“.

Die Zeiten haben sich geändert und – Gott sei Dank – herrscht bei uns ein anderes Bewusstsein, was den Umgang mit Pferden betrifft. Schon seit einiger Zeit weiß man, dass gerade die ersten Erfahrungen, die ein junges Pferd bei der Zusammenarbeit mit dem Menschen macht, von prägender Bedeutung sein können. Aus diesem Grund schätzt man heute ein solides Basistraining, weil es ein Fundament ist, auf das man immer wieder zurückgreift.




 

Nachdem ich das Pferd nun einige Tage mit dem Sidepull geritten habe, kommt nun die Zeit es mit der Trense zu arbeiten.
Es ist sinnvoll das Pferd an diesen „Fremdkörper“ zu gewöhnen und deshalb ziehe ich ihm schon Tage vorher in seiner Box die Trense für 1-2 Stunden an. Das Pferd hat dabei Gelegenheit, sich an die neue Situation mit der Trense zu gewöhnen.

Wenn ich das Pferd das erste Mal mit Trense reite, benutze ich keine Maulsperre. Es soll und darf noch mit dem Gebiss „rumspielen“ und es ist normal, dass es dabei auch gelegentlich sein Maul öffnet.
Da ich die ersten Wochen noch nicht an der Nachgiebigkeit durch das Genick arbeite, reite ich in dieser Zeit mit relativ viel Slack, also mit kaum anstehendem Zügel.

Ich bin der festen Überzeugung, dass Pferde, die gleich ausgebunden werden, kurz nachdem sie die Trense erstmals im Maul hatten, sich oftmals sehr „maulig“ entwickeln.



Deshalb gebe ich den Pferden anfangs Zeit sich an die Trense zu gewöhnen und habe ganz gute Erfahrungen damit gemacht. Wie am Anfang der Serie auch geschrieben, benutze ich während dieser Phase keinerlei Hilfszügel, auch wenn die unter Umständen für „mehr Form“ sorgen würden. Ich glaube daran, dass Pferde ihren Hals anfangs brauchen um sich auszubalancieren. Ein Ziel der ersten Wochen ist das „fallen lassen“ des Halses, Kontrolle des Takts und die ersten Anfänge von Geraderichten.
Um ein Pferd gerade zu richten, muss ich Kontrolle über den gesamten Pferdekörper erzielen.

Ich sehe immer wieder Reiter, die ein junges Pferd in der Anreitphase mit zahlreichen Hilfen überfordern und glauben, das Pferd könnte all diese Hilfen gleichzeitig erlernen und verstehen.

Können wir uns nicht alle an unsere ersten Fahrstunden im Auto erinnern? Verlangte der Fahrlehrer auch gleich das Lenken, Kuppeln, Schalten, Gas geben, usw.? Mein Fahrlehrer tat dies nicht. Er ließ mich erst lenken und Woche für Woche kamen weitere, neue Aufgaben auf mich zu.
Genauso gehe ich bei einem jungen Pferd vor. Ich versuche erst die einzelnen Körperteile (Kopf, Schulter, Mittelhand und Hüfte) separat zu kontrollieren und wenn ich diese Kontrolle erzielt habe, kann ich versuchen, mehrere Hilfen gleichzeitig einzusetzen. Denn erst wenn das möglich ist, können wir ein Pferd „geraderichten“



Stellung und Kontrolle der Schulter

Im Sidepull erarbeitete ich mir, dass das Pferd dem direkten Zügel nachgibt. Das versuche ich nun mit der Trense wenn das Pferd steht und auch in der Vorwärtsbewegung. Es kann sein, dass das Pferd anfangs beim Aufnehmen des Zügels das Maul etwas öffnet. Ich ignoriere das und gebe - wie immer - dann mit dem Zügel nach, wenn das Pferd ansatzweise versteht.

Warum muss das Pferd dem direkten Zügel weich nachgeben? Dies erleichtert uns ungemein die erste grundlegende Gymnastik und irgendwann später wollen wir doch bestimmte Lektionen reiten, bei denen wir immer mal wieder das Pferd mit dem direkten Zügel (auch wenn später das innere Bein den direkten Zügel ersetzen soll) aufnehmen müssen.
Und wer will dabei schon eine schwere Einkaufstüte in der Hand haben.
Dem direkten Zügel nachgeben erleichtert also unsere Kontrolle. Manche Trainer nennen dies auch „Flexing“.

Jedoch sehe ich gelegentlich auch Reiter, die das „Flexing“ aus meiner Sicht übertreiben. Es wird dabei Kontrolle gewünscht und das Pferd wird ununterbrochen fast 90 Grad nach links und rechts gestellt. Das Pferd bekommt keine Ruhe mehr im Maul und beantwortet dies nicht selten mit permanentem Schweifschlagen. Ich möchte, dass mir das Pferd willig nachgibt. Aber ich möchte das Pferd nicht dauernd damit belästigen, sonst geht irgendwann die „mentale Zufriedenheit“ verloren und wir bekommen einen „Wrangler“.

Außerdem glaube ich, dass Pferde zufriedener sind und sich besser bewegen können, wenn sie „gerade“ bleiben.

Nicht selten sehe ich Pferde, die auf einem 20 Meter Zirkel permanent nach innen gestellt werden. Sie laufen den großen Zirkel und sollen IMMER nach innen schauen. Das ergibt für mich keinen Sinn.

Wenn ich ein Pferd auf einem 20 Meter Zirkel vorstelle, schaut es bei mir nach vorne auf die Schiene in der es sich bewegen sollte und nicht nach innen. Erst wenn Kreise deutlich kleiner werden, haben auch bei mir die Pferde die Nase sichtbar innen.
Aber bitte nicht falsch verstehen: ein Pferd sollte sich natürlich auf einem großen Zirkel bewusst nach innen und außen stellen lassen um es gymnastizieren zu können und Kontrolle über die Schulter zu erzielen. Nur permanent verlange ich diese Stellung nicht!

Wenn ich das Pferd nun stellen kann, habe ich noch lange keine Kontrolle der Lenkung, da diese sich in der Schulter abspielt. Erst wenn ich die Schulter des Pferdes kontrollieren kann, habe ich Lenkung. Und besonders Westernpferde sollten eine sehr gute Schulterkontrolle bekommen.
Es gibt viele Beispiele von Schulterkontrolle innerhalb der bekannten Lektionen.
Wenn das Pferd aus dem Stand die Schulter langsam seitwärts bewegt, ergibt sich in der Regel daraus eine Hinterhandwendung. Die Schulter 180 Grad in die andere Richtung „springen“ zu lassen ergibt den Rollback. Aber auch ein guter Springreiter braucht die totale Schulterkontrolle, wenn sein Pferd den Sprung gemeistert hat und der Reiter eine enge, zeitsparende Abkürzung nehmen will.
Aber wir kennen auch das Gegenteil: Der Reiter möchte auf dem Zirkel bleiben und das Pferd läuft „über die Schulter“ nach außen. Hier ging die Kontrolle der Schulter und die Akzeptanz des begrenzenden äußeren Zügels verloren.

Kurz und bündig – habe ich Kontrolle der Schulter, habe ich auch Kontrolle über die Richtung!



Deshalb arbeite ich nach wenigen Tagen sehr bewusst an der Kontrolle der Schulter.
Ich möchte den äußeren begrenzenden Zügel installieren und dazu verwende ich folgende Übung: Ich reite bewusst ein Sechs- oder Achteck und zwischen den Ecken gerade Verbindungslinien.
In der Praxis sieht es folgendermaßen aus: Auf dem Platz stelle ich mir dieses „Stoppschild“ vor und versuche die Linien erst mal nur in eine Richtung zu reiten. Auf den geraden Verbindungslinien zwischen den Ecken sollen meine Hilfen parallel sein - meine Waden passiv, aber leicht am Pferd angelegt, meine Hände mit breiterer Zügelführung und der Hals des Pferdes soll gerade bleiben. Komme ich an eine „Ecke“, gehen meine Hände leicht zur Seite (nach innen), sodass der äußere Zügel angelegt wird und begrenzend einwirkt.
Im gleichen Augenblick nehme ich den inneren Schenkel vom Pferd weg und erhöhe den Druck mit dem äußeren Schenkel. Da meine Pferde bereits von Boden gelernt haben dem Druck zu weichen, verstehen sie meistens schnell und gehen mit der Schulter den Schritt zur Seite. Nun wartet ja wieder eine Gerade von etwa 5-6 Metern, auf der das Pferd wieder „nur“ gerade laufen soll, bis es an der nächsten Ecke ankommt und ich das Gleiche erneut abfrage.
Dort verlange ich mit denselben Hilfen, dass das Pferd den Schritt zwischen die Zügel macht.

Es kann sein, dass ich Anfangs dem ganz jungen Pferd ein klein wenig mit dem direkten, inneren Zügel helfe, damit es besser versteht. Aber ich vermeide auf jeden Fall ein „nur am inneren Zügel ziehen“! weil das Lernziel ja der begrenzende äußere Zügel sein soll.
Das Pferd soll, wie die Bezeichnung schon sagt, diesen Zügel als Begrenzung akzeptieren! Deshalb muss ich ihn auch einsetzen. Da Pferde durch Druck wegnehmen lernen, verlange ich an der Ecke auch nur 1-2 Tritte des Lenkens und dann soll das Pferd wieder ein Stück gerade laufen und sich entspannen können.

Bei dieser Übung wird noch etwas anderes berücksichtigt: Da Pferde zwei Gehirnhälften haben, die kaum miteinander transferieren, ist das mehrmalige Lenken zur einen Seite (an jeder Ecke) eine gute Maßnahme, dem jungen Tier zu zeigen was es tun soll. Es bekommt bei dieser Übung mit Hilfen eine Aufgabe gestellt und es soll die Lösung finden (dem Druck weichen und zwischen die Zügel gehen). Hat es die Lösung gefunden, lässt man es auf dem kleinen geraden Stück auch in Ruhe.
Warum nehme ich dabei den inneren Schenkel weg? Weil der innere Schenkel sonst schon eine zweite gleichzeitige Hilfe wäre, auf das sich das Pferd noch gar nicht konzentrieren kann.
Außerdem mache ich mit dem weggenommenen Schenkel die „Tür“ für das Pferd auf.

Es gibt noch einen weiteren wichtigen Grund bei dieser Übung keinen inneren Schenkel zu benutzen: Ich möchte bei dieser Übung abbiegen und nicht biegen!
Möchte ich ganze oder halbe Volten reiten, macht es später natürlich Sinn, den inneren Schenkel aktiv oder verwahrend einzusetzen, nachdem das Pferd diese Hilfe erlernt hat.



Bei der beschriebenen Übung jedoch, möchte ich Aufmerksamkeit gegenüber dem äußeren Schenkel und Zügel. Wir befinden uns bei dem Erlernen dieser gymnastischen Übung noch am Anfang, also dürfen wir von unserem (Fahr)Schüler noch nicht zuviel verlangen! Und wie immer wenn wir neue Prozesse beginnen, müssen wir nun regelmäßig und mit Gefühl daran arbeiten. Es kann durchaus sein, dass der erste Versuch sich bescheiden anfühlt, das Pferd gegen den Schenkel drückt, sich vielleicht noch gegen den leicht angenommen Zügel wehrt und rum mault. Wenn ich ein Pferd das erste Mal auffordere zwischen die Zügel zu gehen und das Pferd drückt gegen meine äußeren Hilfen, dann strafe ich nicht gleich oder erhöhe den Druck ungemein. Nein, ich lasse das Pferd ruhig einige Meter dagegen drücken, achte aber darauf, dass sich mein Druck keinesfalls verringert! Das Pferd hat die Lösung noch nicht gefunden und es gefällt ihm auch nicht, dass da von außen noch immer Druck kommt und jemand den Zügel annimmt. Ich warte ab, bis das Pferd nur eine Tendenz weicht und belohne es sofort mit Druck wegnehmen. Es kann sein, dass ich mein geplantes Sechseck schon total verlassen habe. Dies spielt jetzt jedoch keine Rolle. Wichtiger ist, dass das Pferd die Lösung zur Druckminimierung finden muss. Auch wenn dies erst einige Meter später als geplant geschieht.

Der erste Tag, die erste Aufforderung, die erste Idee - sie fühlte sich oftmals wie eine schlechte „Fünf“ in der Schule an. Nun ist Gefühl und Timing angesagt. Zu fühlen, wann das Pferd zu verstehen beginnt – das ist die Aufgabe beim Training junger Pferde!

Keine Sorge, wenn der erste Versuch sich sehr bescheiden anfühlt. War es nicht genau so, als der junge Hund erstmals Leine und Halsband trug? Es gibt keine Hilfen die genetisch in Pferden verankert sind - auch nicht bei Quarter Horses - selbst wenn manche Züchter dies behaupten. Es ist immer ein Prozess des Lernens!

Üben ist nun angesagt! Wenn man ruhig und mit Plan bei der Sache bleibt, fühlt sich diese Übung morgen, nach weiteren Minuten wie eine „Vier“ an. Und am Ende der Woche haben wir ein „Befriedigend“ erreicht. Es wird noch paar Wochen dauern, bis daraus ein „Sehr gut“ geworden ist. Aber die Verbesserung ist das Ziel - nicht das Erzwingen der Note „Sehr gut“


Nächstes Mal:
Nach dem Stellen und der Schulterkontrolle nun der Klassiker: Die Kontervolte!




Serie Starting Colts
Teil 1: Systematisches und schonendes Training für junge Pferde
Teil 2: Die Voraussetzungen beim Pferd, den Trainingsmöglichkeiten und dem Equipment
Teil 3: Erste Bodenarbeit und Hufe Geben
Teil 4: Zielorientierte Bodenarbeit als Vorbereitung zum Anreiten
Teil 5: Gewöhnung an Sattel, Reitergewicht und Trense sowie das Fahren vom Boden
Teil 6: Die ersten Schritte „von Oben“

Fortsetzung folgt…


Quelle:
Stefan Ostiadal


Fragen? Die 20 wittelsbuerger.com-Experten helfen gerne weiter,

z.B. Petra Roth-Leckebusch für den Bereich Zucht.
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